Grundlegende Reformen im Bildungssystem
„Über die Bildung unserer Kinder entscheidet nicht zuletzt die Ausbildung unserer Lehrer.", so der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Gunter Kaufmann auf der Veranstaltung des SPD-Ortsvereins Lichtenau zum Thema „Wohin geht die Hauptschule ?".
Den Besuchern im gut besuchten evangelischen Gemeindezentrum erläuterte Gunter Kaufmann zunächst einige Defizite im Bildungsbereich: mangelnde Sprachkenntnisse bei der Einschulung, unzureichende Integration bei Kindern mit Migrationhintergrund sowie die Korrelation zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen.
Die Pisastudie habe gezeigt, dass 20% aller 15-Jährigen wegen unzureichender Lesekompetenz nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könnten, so Kaufmann.
„Reformbemühungen haben bereits im Kindergarten anzufangen.", betonte der Abgeordnete. So sei nach den Plänen der SPD vorgesehen, künftig bei allen Kindern im Alter von fünf Jahren eine Sprachstandsdiagnose zu machen.
„Die Einschulung macht erst dann Sinn, wenn der Schüler dem Unterricht in deutscher Sprache folgen kann."
Das nächste Problem stelle sich, wenn die Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse auf unterschiedliche Schulen verteilt werden. „Diese soziale Selektion ist durch nichts zu rechtfertigen, weil in diesem Alter Neigungen und Begabungen noch nicht eindeutig festzustellen sind.", so Kaufmann. Er plädierte deshalb für die sechsjährige Grundschule und verwies auf wissenschaftliche Untersuchungen, die deren Vorteil deutlich belegen.
Bei einem weiteren Reformvorschlag wurde deutlich, warum das Thema des Abends nur in eine Gesamtbetrachtung eingebettet sein kann: Die SPD im Land setzt sich für die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems ein.
Haupt- und Realschulen sollen zu so genannten Regionalschulen zusammengelegt werden.
Auf Nachfrage eines Zuhörers erläuterte Herr Kaufmann, dass dieser Reformschritt nicht zur völligen Auflösung der Hauptschulen führen solle, da innerhalb der Regionalschule auch weiterhin die Möglichkeit zweier unterschiedlicher Abschlüsse vorgesehen sei. Mit der Zusammenlegung zu einer Institution solle vor allem das Negativimage der Hauptschulen beseitigt und soziale Ausgrenzung überwunden werden.
Der schlechte Ruf der Hauptschulen sei mittlerweile so weit gediehen, dass dort niemand mehr unterrichten möchte. „Das Ausmaß fachfremden Unterrichts ist nirgends so hoch wie an Haupt- und Berufsschulen.", so der mittelbadische Abgeordnete. Das könne auch durch pädagogische und psychologische Kompetenzen nicht ausgeglichen werden, die bei Hauptschullehrern sehr wohl vorhanden seien.
Deshalb sei es, nach Aussage von Gunter Kaufmann, notwendig, die Reform der Lehrerbildung zügig anzugehen.
Kernthese: Gymnasial- und Berufsschullehrer werden in ihrem Fach exzellent ausgebildet, aber nicht auf ihren Beruf als Pädagoge vorbereitet. Die Ausbildung müsse sich verstärkt auf die Bereiche Pädagogik, Kommunikations- und Medienkompetenz konzentrieren und die Erfordernisse des Berufsalltags berücksichtigen.
Bereits während des Studiums sei ein praktisches Pflichtjahr an der Schulart, an der später unterrichtet werden soll, vorgesehen. Das Vorbereitungsjahr oder Referendariat solle nur ein Jahr dauern. Im Anschluss hieran erfolge dann nach den Vorstellungen der SPD-Landtagsfraktion eine fünfjährige Berufseinstiegsphase, in der die Berufseinsteiger weiterhin betreut würden. Zuständig für die Betreuung in Praxisjahr, Vorbereitungsdienst und Berufseinstiegsphase seien Zentren für Lehrerbildung.
Auf die Frage nach der Realisierbarkeit der Reformvorschläge, gab Kaufmann den Vorschlägen zur Änderung der Lehrerbildung die besten Chancen. Den größten Widerstand erwarte er – aus „ideologischen Gründen" – bei der Hinwendung zu einem zweigliedrigen Schulsystem.
Bleibt, mit den Worten einer Zuhörerin formuliert, zu hoffen, dass dieser Streit nicht auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen wird.